Artikel aus dem Hope Magazin

28.01.2019

Interview mit Wilhelm Buntz

»Heute fühle ich mich frei, spüre Geborgenheit, habe Freude und Frieden. Früher hatte ich nichts von alledem,« reflektiert Wilhelm Buntz im Gespräch mit Gabi Pratz.

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Dein Start ins Leben war sehr dramatisch, was ist passiert?

Meine Mutter wollte mich nie haben und hat beschlossen, mich nach der Geburt zu ignorieren: kein Füttern, kein Wickeln, gar nichts. So hat mich meine drei oder vier Jahre alte Schwester wie ihre Puppen »versorgt«. Ich habe furchtbar geweint und als meine Mutter das nicht mehr aushielt, legte sie mich eines Tages in den Straßengraben. Dort fand mich eine Frau und ich musste einige Monate im Krankenhaus bleiben.

Auch ohne konkrete Erinnerungen daran hinterlässt so ein Erleben tiefe Verletzungen in der Seele eines Kindes …

Ja, ich war voller Hass auf alle und jeden. Das Leben mit mir war für meine Familie die Hölle. In der Schule verprügelte ich ständig die anderen Kinder. Ich wollte von ihnen gefürchtet werden. So kam ich schließlich ins Kinderheim. Keiner kam mit mir zurecht. Ich war aggressiv und bin ständig abgehauen. So war ich in verschiedenen Heimen, bis ich schließlich in einem für schwersterziehbare Kinder landete. Auch von dort bin ich mit einem Kumpel abgehauen. Nachts, mit dem Auto, ohne Führerschein. Unterwegs begegnete uns ein Polizeiwagen im Einsatz, ich verwechselte in Panik Bremse mit Gaspedal und fuhr mit hoher Geschwindigkeit in das Polizeiauto. Leider überlebte der Fahrer das nicht. Wir wurden geschnappt und kamen ins Gefängnis.

Wie konntest du so ein Leben aushalten, ohne Familie oder Freunde?

Ich habe mir Gefühle verboten, wollte nie mehr verletzt werden, war eiskalt. Eine dicke schützende Mauer um mich herum ließ keinen an mich heran.

Wie ging dein Leben weiter?

Nach dieser Jugendstrafe folgten Einbrüche, Banküberfälle, Schießereien, Prügeleien und vieles mehr. Als ich gefasst wurde kam es zum Prozess mit knapp 150 Anklagepunkten und zu einer langen Haftstrafe. Auch im Gefängnis war ich aggressiv und voller Hass. Sehr oft saß ich deswegen in der Arrestzelle.

Was hat schließlich zu deiner Veränderung geführt?

In die Arrestzelle darf man nichts außer einer Bibel mitnehmen. Ich wollte die dünnen Seiten als Zigarettenpapier für den eingeschmuggelten Tabak nutzen. So habe ich in sechs Jahren das ganze Alte Testament geraucht. Vorher habe ich jede Seite ganz gelesen. Als ich in Matthäus zur Bergpredigt kam hat mich der Text gepackt. Zum ersten Mal begann ich, über mein Leben nachzudenken. Was, wenn es Gott wirklich gibt? Und so habe ich ihn herausge-
fordert …

Wie hat er sich dir gezeigt?

Ich habe erstmal nichts bemerkt. Eines Tages fragte mich ein Mithäftling, ob ich krank sei … Ich war monatelang nicht mehr in der Arrestzelle gewesen und hatte keinen Drang mehr nach Prügeleien. Im Februar 1986 wurde ich entlassen und mein Leben hatte sich verändert. Nach der Entlassung war mir wichtig, mich bei den Menschen zu entschuldigen, die ich im Laufe der Jahre geschädigt oder verletzt hatte. Auch bei der Familie des Polizisten, der durch mich ums Leben kam – dabei habe ich Großartiges erlebt ... Auch mit meinem Vater konnte ich mich versöhnen.

Und die seelischen Verletzungen aus der Kindheit?

Als ich mich entschieden hatte, mein Leben mit Gott zu leben, habe ich ihm auch meine Verletzungen gegeben: »Bitte, heile sie.« Gott hat sie alle durch seine große Liebe geheilt.

Vielen Dank für das Gespräch.
Gabi Pratz

 

Artikel-Bildnachweis: Hope Channel