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01.12.2023

Die vier Ehekiller

Wie man sie erkennt und erfolgreich ausbremst

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Wenn zwei Menschen sich verlieben, stürzen sie sich oft geradezu in eine Partnerschaft und treffen diese Entscheidung, ohne sich darüber Gedanken zu machen, wie bereit und vorbereitet sie sind, um den gemeinsamen Weg durchs Leben zu gehen. Wenn der Sturm der Hormone abflaut und sie von der nackten Alltagsrealität eingeholt werden, erleben sie einen allmählichen Prozess der Entfremdung. Und dann tauchen Gedanken auf, wie: Wir waren doch so verliebt! Wir waren wie Seelenverwandte! Er brachte mir regelmäßig Blumen! Sie war doch so interessiert an mir! … Doch jetzt scheint alles anders zu sein. Langeweile hat sich eingestellt, Streit bricht schon wegen Kleinigkeiten auf, es gibt kaum noch Interesse aneinander, oberflächliche Kommunikation … Was lässt die Zufriedenheit partnerschaftlicher Beziehung abkühlen? Welches sind die so genannten Ehekiller?

Der amerikanische Psychologe und Beziehungsforscher John Gottman hat aufgrund seiner langjährlichen Untersuchungen mit tausenden von Paaren ein regressives und destruktives Beziehungsmodell beschrieben, das eine Ehe „sicher“ in die Trennung/Scheidung führt: Er nannte es „die vier apokalyptischen Reiter“. 

1. Kritik

In allen Beziehungen gibt es Situationen, in denen man sich über seinen Partner beklagt, denn niemand ist perfekt. Wenn jedoch die Kommunikation des Paares zunehmend von destruktiver Kritik geprägt wird, dann wirkt dies langfristig negativ auf die Qualität der Beziehung. Es ist wichtig, den Unterschied zwischen einer Beschwerde, die konkret auf einen Vorfall abzielt und Kritik, die verallgemeinernd etwas über andere Situationen und über den Charakter des Partners aussagt, zu beachten. Typischerweise wird dabei die Kommunikation der Ich-Form durch die Du-Form ersetzt, was eine anklagende und destruktive Wirkung hervorruft.

2. Rechtfertigung

Unsere natürliche Reaktion auf Kritik ist die Rechtfertigung. Obwohl es verständlich ist, sich zu rechtfertigen, führt das nur selten zum erwarteten Ergebnis. Der angreifende Partner weicht nicht von seiner Position ab. Das liegt daran, dass Rechtfertigung in Wirklichkeit nur eine verdeckte Methode ist, den Partner zu beschuldigen. Eigentlich sagt man: „Das Problem liegt nicht bei mir, sondern bei dir.“ Darum lässt Rechtfertigung den Konflikt eskalieren.

3. Verachtung

Nachdem das Ping-Pong-Spiel zwischen Kritik und Rechtfertigung wiederholt praktiziert wird, versinkt die Beziehung auf eine Ebene der destruktiven Abwärtsspirale: die Verachtung. Sie wird von lange schwelenden, negativen Gedanken über den Partner genährt, die aus ihrer de-
struktiven Interaktion (Kritik & Rechtfertigung) entstanden sind. Man kann jetzt beobachten, dass dadurch die Art und Weise der Interaktion in der Beziehung eine ganz neue Färbung bekommt, die von Sarkasmus, Zynismus und abschätzigem Humor geprägt ist. Nicht umsonst wird dieser Reiter als der gefährlichste eingestuft. Dort, wo er auftritt, wirkt er extrem vergiftend auf die Beziehung, weil dadurch Abneigung, Geringschätzung und Missachtung ausgedrückt werden. Wenn der Partner auf diese Weise behandelt wird, kann und will er/sie gar nicht mehr konstruktiv an der Lösung des Problems mitwirken, sondern man befindet sich auf dem Weg in die nächste Eskalationsstufe.

4. Rückzug/Mauern

Stellen wir uns folgende Situation vor: Der Ehemann kommt müde von der Arbeit nach Hause und erlebt im Laufe des Abends eine Tsunamiwelle der Kritik. Nach einigen gescheiterten Versuchen, sie zu stoppen, verschanzt er sich hinter seiner Zeitung. Je weniger er antwortet, desto mehr schimpft sie. Wenn seine Grenze erreicht ist, steht er auf und verlässt das Zimmer. Der arme Mann!, könnten wir denken. Aber ein verantwortungsbewusstes Handeln seinerseits würde bedeuten, mit seiner Frau ins Gespräch zu kommen und Schritte zur Lösung ihrer Probleme zu unternehmen. Dennoch zieht er sich meist lieber zurück, und indem er sich von ihr abwendet, geht er einem Streit aus dem Weg, aber ebenso seiner Ehe.

Das emotionale Konto

Paare führen unbewusst so etwas wie ein emotionales Konto. Geht das Paar wie oben beschrieben miteinander um (erlebt also die „vier apokalyptischen Reiter“), dann sind sie dabei, ihr emotionales Konto auszuplündern. Die roten Zahlen führen zu ansteigender Negativität und Unzufriedenheit. 

Wo oder wann wird die Grenze überschritten? Nach John Gottman ist ein Paar bei einem Verhältnis von 5:1 (fünf positive zu einer negativen Interaktion) fähig, sich zu beruhigen und Kompromisse zu schließen. Wenn aber das Verhältnis nicht mehr stimmt, beobachtet man eine zunehmende Verschlechterung der Beziehung. Positives Verhalten, wie „Blumen zum Frauentag schenken“, wird nicht mehr mit Freude wahrgenommen, sondern damit abgetan, dass dies auch alle anderen Männer am Frauentag täten. Negatives Verhalten, das bei den glücklichen Paaren oft als Ausnahme entschuldigt wird, betrachtet man bei Paaren mit einem Interaktionsverhältnis unter 5:1 automatisch als böswillig: „Er kommt nur zu spät, weil er mich ärgern will!“ Die Negativität steigt an und durch die kognitive und emotionale Überflutung werden alle Lebensbereiche ins Unglück hineingezogen. Man distanziert und isoliert sich voneinander und beginnt, die Geschichte der Beziehung neu zu gestalten und zu überdenken. Das Paar befindet sich in einem negativen Zwangsprozess mit unabsehbaren Folgen für den Verlauf der Paarbeziehung.

Wege aus der Krise

Die Krise zu überwinden ist möglich, fordert jedoch vollen Einsatz. Zuerst muss der eigene Lebensweg betrachtet werden. Unser Beziehungskonzept wird grundsätzlich in der Kindheit durch die Interaktion mit den Eltern angelegt und prägt die Art wie wir lieben, kommunizieren, streiten – also auch, wie wir uns in der Partnerschaft verhalten. Wenn destruktive Verhaltenselemente bei der Gestaltung der partnerschaftlichen Beziehung vorhanden sind, braucht man sich nicht wundern, dass sie nicht klappt. Außerdem können verletzende, traumatisierende Erlebnisse wie emotionale Manipulation, Traumata, Missbrauch usw. die Beziehungsfähigkeit der Partner beeinträchtigen. Darum sind hier beziehungsstärkende Elemente nötig, wie die Aufarbeitung des Verhältnisses zur Herkunftsfamilie, der Aufbau und die Stabilisierung der Vorstellung von sich selbst, Trainieren sozialer Kompetenzen, sich über die eigenen Werte klarwerden u.v.m.

Das dritte Verbindende

Eine partnerschaftliche Beziehung ist äußerst instabil, denn sie benötigt immer zwei interessierte und beständige Personen. Wenn einer aussteigt, zerbricht sie. So kommt das Paar in seinem Entwicklungsprozess an einen Punkt, wo es ein verbindendes Element benötigt: ein gemeinsam getragenes Projekt. Ein solches Projekt kann eine stabilisierende Wirkung für die Paarbeziehung haben, denn ihr Interesse wird dadurch auf die gemeinsame, verbindende Aufgabe fokussiert.

 

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Autor: Daniel Herzog

verheiratet, zwei Töchter. Er studierte Ehe-, Familien- und Lebensberatung (M.A.) sowie Theologie (M.Th.). Tätigkeit als Pastor, pädagogische Fachkraft für verhaltensauffällige und benachteiligte Jugendliche, Psychosozialer Berater (www.care4soul.ch), Systemischer Therapeut (i. A.)

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