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27.05.2021

Gestalten Sie bewusst sinnstiftende Momente

Von einer sinnstiftenden Beziehungskultur - Ziele und Werte

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Manchmal lerne ich Paare kennen, die geschickt und aktiv ihr Leben nach außen gestalten und sehr wohl wissen, was sie wollen – und trotzdem spüre ich wenig Verbundenheit. Monika erzählt, dass ihr vor allem nach der Geburt der Kinder etwas Tiefes fehlte. Die individuelle Identität, die Freiheit und der gegenseitige Respekt sind für sie wichtige Werte. Trotzdem sehnt sie sich in der Ehe und in der Familie nach einem Gefühl der Verbundenheit, das über das Tägliche hinausgeht. Manchmal ist unser Alltag damit vollgestopft, heiße Kartoffeln aus dem Feuer zu holen. Und wir fragen uns: Ist das alles?

Von einer sinnstiftenden Beziehungskultur 

Jede Familie und jede Partnerschaft steht vor der Herausforderung, eine eigene Kultur der Sinnhaftigkeit und der Verbundenheit zu entwickeln. Dabei bringen beide Partner die erlebte Kultur der unterschiedlichen Ursprungsfamilien mit in die Beziehung. Wie jede Kultur entwickeln sich Rituale und vieles mehr erst nach und nach. Jeder hat seine Lebensphilosophie und seine individuelle Spiritualität, aus der ein Sinn entsteht.
Eine wichtige Grundlage dafür besteht darin sich über eigene Träume auszutauschen, einander daran Anteil zu gewähren und respektvoll damit umzugehen, auch wenn diese Träume einem nicht immer ganz entsprechen. Eine gemeinsame Kultur enthält Träume von beiden und ist flexibel genug, um verändert zu werden und sich weiterzuentwickeln.
Eine weitere wichtige Voraussetzung für die Entwicklung einer solchen Familienkultur ist es, eine Atmosphäre zu schaffen, in der alle ermutigt werden, ehrlich über ihre Überzeugungen und Werte zu reden. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass sich auch eine gemeinsame Kultur entwickeln kann. 
Rolf kommt aus einer Familie, in der der Großvater durch den Krieg lange von seiner Familie getrennt war. Seine Großmutter hielt die Verbundenheit zu ihrem geliebten Mann aufrecht, bis er eines Tages aus dem Krieg zurückkehrte. Beide hatten sich in der Zwischenzeit verändert, aber sie hielten aneinander fest und fanden sich wieder – eine eindrückliche Geschichte, die Familienloyalität zeigt, auch wenn es beinahe etwas mythisch klingt. Monika kommt aus einer Bauernfamilie, die immer eine offene Tür für Menschen am Rande der Gesellschaft hatte. Oft wurden Kartoffeln aus der eigenen Ernte verschenkt, oder diese Leute lebten eine Zeit lang auf dem Hof und arbeiteten mit. Das war immer Teil der Familienkultur. Monika und Rolf erzählen einander immer wieder von ihren Familien und betonen deren positive Seiten wie Treue oder Großzügigkeit. Gemeinsam überlegen sie, wie sie diese Werte in ihrer Familie ausleben und ihren Kindern weitergeben können. Eine gut funktionierende und bereichernde Partnerschaft ist wesentlich mehr als nur das Umschiffen von Klippen. 

Rituale der Verbundenheit 

Wie leben Sie Rituale, die z. B. mit den Mahlzeiten verbunden sind? Darf nur einer reden? Wie gestalten Sie den Austausch am Esstisch? Oder welche Dinge feiern Sie als Familie? Sind diese Feste besondere Anlässe oder werden sie von allen gehasst? Wie feiern Sie Geburtstage, Kirchenfeste oder wenn einem Familienmitglied etwas Besonderes gelungen ist, wie z. B. die erfolgreich abgeschlossene Ausbildung oder das gemeisterte Studium? Wie feiern Sie Triumphe? Wie bauen Sie einander auf, wenn einer entmutigt ist? Wie verbringen Sie Ihre gemeinsame Freizeit? 
Ich kenne Paare, die die verschiedensten Momente ihrer Beziehung feiern. Wenn die beiden von der Arbeit heimkehren, treffen sie sich in einem Café, trinken zusammen etwas und tauschen sich über den erlebten Tag aus. Ein anderes Paar genießt am Morgen nach dem Aufwachen eine Zeit des Austausches. Diese Paare wissen voneinander. Sie wissen, was sie stresst und was sie erfreut. Sie nehmen Anteil, dank gemeinsamer Rituale. 

Rollenverteilung 

Welchen Platz und welche Rolle nimmt man in der Familie ein? Ist der Mann eher der Versorger und die Frau die Fürsorgliche? Für andere Paare mag die Gleichberechtigung insofern wichtig sein, als dass beide Geld verdienen und sich die Haushalts- und Familienpflichten gleich aufteilen. Sie unterstützen einander emotional und finanziell. Wenn die Vorstellungen beider zusammenpassen, erleichtert dies natürlich jedem, seine Rolle im gemeinsamen Leben zu finden. 
Wie fühlen Sie sich in der Rolle als Vater, Mutter, Tochter, Sohn? Wofür stehen Sie ein? Was möchten Sie weitergeben? Welchen Platz füllen Sie in der Gesellschaft und im Freundeskreis aus? Wie gestalten Sie Freundschaften? Welche Rolle spielt die Religion in Ihrem Leben? Wo erleben Sie sie? Wie verschaffen Sie dieser Dimension in Ihrem Alltag Raum? 

Ziele und Werte

Ziele zu erreichen, hilft uns, das Leben sinnvoll zu erfahren. Ziele können sehr konkret sein – wie z. B. ein Haus zu bauen. Sie können aber auch eine tiefere spirituelle Dimension in sich tragen – wie z. B. Kinder großzuziehen, aus selbst erlittener Ungerechtigkeit andere zu unterstützen oder ein nachhaltiges Projekt in der Ortsgemeinde aufzubauen. 
Meist teilen wir einander zu wenig mit, welche Werte und Ziele uns wichtig sind und welche Bedeutung diese für uns haben. Manchmal sind wir uns unserer eigenen Ziele nicht recht bewusst. Ein Austausch über innere Werte schafft eine tiefe Verbundenheit! 

Gemeinsame Symbole 

Eine gemeinsame Sinngebung kann sich darin zeigen, dass Sie sich in Ihrer Wohnung mit Dingen umgeben, die die Werte und den Glauben widerspiegeln, die Sie miteinander teilen. Das kann eine Figur sein, die ein verlorenes Kind während der Schwangerschaft symbolisiert, oder ein Geschenk, das die Dankbarkeit ausdrückt, mit der Sie zusammen eine schwierige Situation durchgestanden haben. Oder einfach ein Gegenstand, der Sie beide an ein besonderes gemeinsames Erlebnis erinnert. 
Ihre Ehe und Familie mit sinnstiftenden Elementen zu bereichern, ist ein lebenslanger Prozess, bei dem sich Formen und Inhalte verändern. Allerdings schaffen sie eine Verbundenheit, die über die »heißen Kartoffeln« im Alltag hinwegsehen kann.

 

Aus der Gesundheitszeitschrift "Leben & Gesundheit", mit freundlicher Genehmigung des Advent-Verlages Schweiz. lug-mag.com

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Autor: Daniel Zwiker

M. A., Psychotherapeut ASP mit eigener Praxis, danielzwiker.ch, Gümligen, Schweiz

Artikel-Bildnachweis: UrNikada – gettyimages.de