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01.09.2024

Jesus und das Maßhalten

Über das optimale Maß

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Die Mäßigung (das Maßhalten) gehört seit der Antike neben der Gerechtigkeit, Tapferkeit und Weisheit zu den sogenannten Kardinaltugenden. Für den Philosophen Aristoteles, der hierzu viel geschrieben hat, bedeutete „Maßhalten“ die Mitte zu finden, gewissermaßen ein idealer Ausgleich zwischen dem Übermaß und dem Mangel. Wie hält man das optimale Maß, wenn man bedenkt, dass die extremen Pole zu bestimmten Zeiten sehr unterschiedlich aussahen. Wie würde Jesus das richtige Maß definieren?

Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, weil Jesus in der Regel kein Maximum oder Minimum nennt, ab dem man sich außerhalb der Mitte bewegt, sondern vielmehr Prinzipien, an denen sich seine Nachfolger orientieren und in ihrer Beziehung zu Gott ein gutes Maß finden sollen. Solche Art Aussagen von Jesus gibt es beispielsweise zum Thema Geld und Reichtum: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme” (Markus 10,25). Oder: „Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon“ (Matthäus 6,24). Wie groß muss der Reichtum sein, dass man nicht mehr in das Reich Gottes kommt? Ab wann ist man in der Falle des Mammons? Jeder Einzelne ist hier herausgefordert, sich mit diesen Aussagen in ihrem Zusammenhang auseinanderzusetzen und nach Antworten zu suchen – und das immer wieder neu.

Ähnlich verhält es sich in Bezug auf das richtige Verständnis vom Dienen. „Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein“ (Markus 10,42–43). Auch hier stellt sich die Frage, wo ist das gute Maß zwischen herrschen, dienen, ausgenutzt werden? In einer Beziehung zu Jesus und in der Auseinandersetzung mit diesen Texten sind wir in unserer Zeit herausgefordert, das gute Maß zu suchen und zu halten.

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Autor: Genardi Giesbrecht

Pastor und Theologe, zur Zeit Präsident der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten in Nordrhein-Westfalen.

Artikel-Bildnachweis: Diy13– gettyimages.de