Artikel aus dem Hope Magazin

01.03.2023

Als ihre Träume starben

Über verkehrte Vorstellungen

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Aus und vorbei! All ihre Träume waren nur noch ein Scherbenhaufen! Zwölf bitter enttäuschte Männer, die ihre Hoffnungen von einem Tag auf den anderen begraben mussten. Der eine beging Selbstmord, die anderen warfen alles hin, verbarrikadierten sich in einem Haus, um nicht gefasst und hingerichtet zu werden. Einige stürzten sich schließlich in ihre Arbeit, ohne dabei etwas auf die Reihe zu kriegen. Dass sie dies wieder glücklich machen würde, glaubten sie selbst nicht. Aber was sollten sie sonst tun?

Dabei hatte alles so vielversprechend angefangen. Jesus war wie ein frischgekrönter König unter dem Jubel des Volkes in Jerusalem eingezogen. Alle waren begeistert gewesen, und den ewigen Querulanten unter den politischen und religiösen Prominenten war das Maul gestopft worden. Jetzt konnte Jesus nichts und niemand mehr aufhalten! Kein Wunder, dass sich seine engsten Freunde schon auf gut bezahlten und ehrenvollen Posten im Königreich Juda sahen.

Ausgeträumt

Und nun das! In einer Nacht- und Nebel-Aktion hatte die jüdische Führungsschicht Jesus festgenommen und im Schnellverfahren durch die Römer hinrichten lassen. Der König war tot und ihre Hoffnung auf nationale Größe sowie Macht, Ehre und Reichtum zum Alptraum geworden.

Wie niedergeschlagen die Freunde von Jesus waren, wird am besten in den Worten von zwei Männern aus dem Dorf Emmaus deutlich: „Wir aber hofften, er sei es, der Israel erlösen werde“ (Lukas 24,21).

Wie so oft im Leben gibt es auch hier falsche Überzeugungen und Erwartungen. Hatte Jesus ihnen nicht deutlich gesagt, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist? Keine Vertreibung der Römer aus Palästina. Keine Aufrichtung eines Staates Israel mit Jesus als König an der Spitze. Kein Tempel, in dem Menschen aus aller Welt Gott anbeten werden. Im Gegenteil, Jesus hatte ihnen klipp und klar gesagt, dass Jerusalem belagert und dem Erdboden gleichgemacht und auch der Tempel zerstört werden wird. Kein Stein wird auf dem anderen bleiben. Doch die Jünger hingen weiter ihren Träumen nach. Sie waren eben nicht anders als wir Menschen heute sind. Außerdem hatte Jesus ihnen mehrmals gesagt, dass er verurteilt und hingerichtet werden wird. Aber am dritten Tag werde er wieder auferstehen. (Markus 8,31) Doch er redete gegen eine Wand. Die Jünger hofften einfach weiter: „Er sei es, der Israel erlösen werde.“ 

Sie waren so tief in ihren eigenen Überzeugungen verstrickt, dass sie kein Ohr für das hatten, was Jesus ihnen sagte. Dass sie auch nicht den Frauen glaubten, als diese ihnen von der Auferstehung Jesu berichteten. Ihre Überzeugung, Jesus würde Israel von den Römern befreien, und die daraus folgende Enttäuschung blockierte ihr Denken.

Erst als Jesus ihnen nach seiner Auferstehung von den Toten die Prophezeiungen des Alten Testamentes über den Messias erklärt hatte, als ihre Augen geöffnet wurden und sie Jesus erkannten – als sie die Wirklichkeit sahen – bekamen sie wieder Boden unter ihre Füße.

Falsche Erwartungen

Hoffnung braucht ein starkes Fundament! Nicht unsere Illusionen, wie das Leben verlaufen sollte. Nicht unsere Erwartungen, wie Gott handeln sollte. Falsche oder unrealistische Überzeugungen und Erwartungen sind ein schlechtes Fundament für die Hoffnung. Sie können schnell zusammenbrechen. Da ist jemand felsenfest davon überzeugt, dass er der beste Kandidat für den Posten des Abteilungsleiters ist. Doch eine Kollegin wird ihm vorgezogen. Da erwartet jemand eine deutliche Gehaltssteigerung, doch er wird in die Kurzarbeit geschickt. 

Da hofft jemand, den makellosen Traumpartner zu finden, mit dem er oder sie bis zum Ende des Lebens glücklich sein kann. Doch alle Beziehungen scheitern schon bald, weil niemand diesem Idealbild entspricht. Da erwartet jemand,
gesund und fit zu bleiben und dabei steinalt zu werden. Doch ein Unfall oder eine Krankheit machen ihm einen Strich durch die Rechnung. 

Das kennen wir doch! Und wir wissen auch, wie es weitergeht: Für solche Menschen bricht eine Welt zusammen. Sie sind enttäuscht, werden depressiv, hadern, wenn sie gläubig sind, mit Gott.

Kein Paradies auf Erden

Wie die Freunde Jesu träumen also auch wir vom Paradies auf Erden. Alles soll glatt laufen, alles perfekt sein. Wir wünschen uns Glück und Erfolg, Gesundheit und ein langes Leben. Wir wollen Traumhäuser, Traum-
autos, Traumjobs, Traumreisen, Traumpartner und was es sonst noch für Träume gibt. Und wir sind enttäuscht, wenn sich diese Träume nicht erfüllen.

Jesus hat seinen Freunden schließlich klarmachen können, dass es ein perfektes Leben ohne Ungerechtigkeit, Leid, Gewalt und Tod erst dann geben wird, wenn er wiederkommt. Wenn er die Toten auferwecken und eine neue Erde schaffen wird. Wenn sein Reich endlich kommt! Erst dann werden unsere Träume vom ewigen Glück wahrwerden

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Autor: Siegfried Wittwer

Pastor i. R., ehem. Leiter des Internationalen Bibelstudien-Instituts

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