Artikel aus dem Hope Magazin

30.05.2024

Mentale Aufhellungen

Warum wir möglichst viele lichte Momente in unserem Leben brauchen

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Die Radionachrichten enden. Ich sitze am Schreibtisch, betäubt von der Flut negativer Meldungen, die nun mehrere Minuten lang auf mich eingeprasselt sind: Kriege, Flüchtlinge, Aufruhr, Missbrauch, Korruption, Klimakata-
strophen, Inflation … Plötzlich entstehen auch in mir Bilder, die Betroffenheit, Erschrecken ja sogar Erstarrung auslösen. Aber das ist nicht ungewöhnlich. Es ist zutiefst menschlich. Ich spüre, dass ich diese Nachrichten nicht nur informativ gehört habe, sondern dass sie meine Seele und damit mich als ganzen Menschen belasten. Es fühlt sich so an, als wäre es in meinem Denkraum dunkler geworden, obwohl mich das Tageslicht durch das Fenster grüßt. 

Angstmomente sind völlig normal …

Kennst du das auch? Eine triste, nebelige Lebensstimmung, unabhängig vom Wetter außerhalb der eigenen Wohnung. Wir alle haben es schon erlebt, dass ein Telefonanruf die persönlichen Lichtverhältnisse im Leben von einer Minute zur anderen ändert. Wir erfahren von einem Unfall, einer schwerwiegenden Diagnose, einer Kündigung, einem Todesfall – und schon ist uns herum rabenschwarze Nacht, obwohl sich der Zeiger der Uhr kaum bewegt hat. Wie richtig ist doch der Gedanke, den ich irgendwo aufgeschnappt habe: „Die Geschichte eines Menschen ist immer auch die Geschichte seiner Ängste.“

… aber ständig Probleme zu wälzen macht uns krank

Es gibt Menschen, in deren Leben es zumeist stark bewölkt, grau und mit entsprechender Sichteinschränkung zugeht. Das hat gar nichts mit dem Wetter zu tun und manchmal nicht einmal etwas mit realen Problemen. Diese Menschen haben sich aufgrund lang-
anhaltender Herausforderungen einen Tunnelblick angewöhnt, der sie nichts anderes mehr erkennen lässt als dunkle Wolken, sprich Probleme. Sie finden keine mentalen Aufhellungen in ihren Lebensumständen. Und, was am traurigsten und schwierigsten ist, sie haben sogar die Hoffnung auf Änderung aufgegeben. Diese mentale Einstellung macht krank. Hilfe von außen ist schwierig, denn die persönliche Sichtweise hat sich nicht selten schon so verfestigt, dass sich der Blick kaum weiten lässt. Diese konzentrierte Betrachtungsweise vorhandener Probleme belastet auch das nahe Umfeld. In solchen Lebenssituationen ist Ermutigung wichtig, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, um so manches aufzuarbeiten, um neu wieder Schönes und Aufhellendes zu lernen.

Sonnenstrahlen verteilen

Mentale Aufheller sind „Vitamine“ und essenzielle „Lebensmittel“ für unsere körperliche und seelische Gesundheit. Das zu wissen ist schon mal gut, aber wie kann man den Teufelskreis negativen Denkens durchbrechen? Um wieder „seh- und handlungsfähig“ zu werden, müssen eigene Denkmuster reflektiert werden. Es ist nicht zu leugnen, dass einem das Leben manchmal schwere Brocken vor die Füße wirft. Scheinbar unüberwindbar. Und es ist auch eine Tatsache, dass manche Menschen von ihrer Veranlagung her leichter niedergestreckt werden als andere. Aber es gibt vielerlei Arten von „Sonnenstrahlen“, zu denen wir nicht selten selbst beitragen können. Jedes Mal, wenn ich eine bestimmte alte Dame mit über 90 Jahren im Seniorenheim besuchte und die Tür öffnete, sagte sie: „Die Sonne geht auf.“ Sie freute sich sichtlich über meinen Besuch und ihr Tag wurde durch meine Anwesenheit und den Gedankenaustausch sogar dann sonnig, wenn es draußen regnete. Gleichzeitig erlebte ich es auch umgekehrt: Ihre dankbare Wertschätzung des Besuchs begleitete mich noch nach dem Abschied und erhellte meinen weiteren Alltag. „Zeit, die wir uns nehmen, ist Zeit, die uns etwas gibt.“ (Ernst Ferstl). Wer einen Menschen nicht nur sieht, sondern als wertvolles Gegenüber wahrnimmt, knipst in dessen Leben eine ganzheitliche Aufhellung an. 

Positive Akzente setzen!

Es hat mit mentaler Selbstdisziplin zu tun, wenn ich täglich bewusst fokussiere, was in meinem Leben – vielleicht trotz Einschränkungen und Sorgen – gut ist. Eine liebe Freundin, die seit mehreren Jahren mit einer schwerwiegenden Krebsdiagnose lebt, ist für mich diesbezüglich ein Vorbild. Sie nutzt jede gute Gelegenheit zwischen den Chemotherapien, um mit ihrem Mann einen Kurzurlaub zu machen. Dabei plant und genießt sie jene „lichten“ Momente, die ihr trotz Krankheit geschenkt sind. Dieser Froh-MUT kommt nicht von selbst, sondern wird von ihr bewusst gesucht und von Gott erbeten. 

Niemand von uns wohnt gerne im finsteren Keller. Warum lassen wir dann aber unsere Seele oft in diesen dunklen Gewölben von Sorgen, Unversöhnlichkeit, Hoffnungslosigkeit hausen und setzen nicht unsere ganze Kreativität ein, um uns selbst und anderen mentale Aufheller zu schaffen bzw. zu schenken. Die Möglichkeiten sind zahlreich, um „Kerzen“ anzuzünden und nicht beim Klagen über die Dunkelheit stecken zu bleiben: Es bedarf nur der Entscheidung, dass ich mir selbst etwas Gutes tun will. 

Praxistipps

Nehmen Sie sich etwas Zeit, um darüber nachzudenken, wie es Ihnen gelingen könnte, Ihr Leben heller zu machen und gut mit sich selbst umzugehen. Eine Art „Selbstfürsorge“ zu lernen und zu leben, ist heute das Gebot der Stunde. Stopfen Sie sich nicht mit jeder Nachrichtenmeldung oder den unzähligen und manchmal unseligen Social-Media-Angeboten voll. Seien Sie vielmehr mit allen gottgegebenen Sinnen den erweiterten Angeboten auf der Spur, die das Leben mit Freude, Hoffnung und Zukunftsaussichten würzt.

 

Einige Beispiele sollen Sie dazu anregen:

  • Musik ins Leben zu bringen, macht erwiesener Weise glücklich und gräbt so manches Mal verloren geglaubte Emotionen aus.
  • Blumen am Balkon, im Garten, im Zimmer, am Krankenbett erfreuen das Auge. 
  • Ein bewusster Spaziergang über Wald und Feld mit allen Sinnen ist ein Loslassen von Belastungen – verbinden Sie  diesen mit guten und entspannenden Atemübungen, sehen Sie sich richtig satt, lauschen Sie dem vielstimmigen Vogelorchester und lernen Sie, wieder bewusst darüber zu staunen, welche positive Auswirkungen dabei zu empfinden sind.
  • Gestalten Sie eine Art „Redeplatz“, bei dem ein gegenseitiger ehrlicher, offener und wertschätzender Austausch gepflegt und gefördert und einander bewusst und ohne Wertung zugehört wird: über Freude und Ängste, über Verluste und Hoffnungen, über „Gott und die Welt“.
  • Für gläubige Menschen ist das persönliche Gebet ein erhellendes und ermutigendes Erlebnis. 
  • Fragen Sie sich ehrlich: Was würde ich für mich selbst noch als Aufheller hinzufügen? Ist es ein Hobby? Die Beziehung zu Tieren? Die Entscheidung, eine langersehnte Reise durchzuführen? – Was hindert Sie daran, es in Ihren Alltag zu integrieren?

 

Lassen wir es nicht zu, dass wir an mentaler Mangelversorgung leiden. Es ist möglich, für sich selbst und andere wieder erhellende und leuchtende „Farbtupfer“ in den Alltag zu bringen. Das ermutigt uns im Alltag, denn wie der Mensch denkt, so „tickt“ er. 

Einer der zutreffendsten Gedanken über „mentale Aufheller“ gilt auch heute: „Das Auge gibt dem Körper Licht. Wenn dein Auge gesund ist, wird dein ganzer Körper hell sein.“ (Matthäus 6,22)

Bild vom Autor zum Weblog Mentale Aufhellungen

Autor: Günther Maurer

Pastor i.R. | Seelsorger | Gesundheitsberater

Artikel-Bildnachweis: recep-bg – gettyimages.de