Artikel aus dem Hope Magazin

01.12.2023

Was ist der Mensch?

Nicht nur Spielzeugfiguren ...

Bild zum aktuellen Blog-Eintrag

 

Nein, es geht bei dieser Frage nicht um typische Psalm-Texte, die Pastoren an den Anfang einer Trauerfeier stellen. Es geht auch nicht um die makabren Berechnungen, wieviel ein Mensch wert ist. Es geht mir vielmehr um die Frage, was ein Mensch für mich ist.

Nun, das kommt darauf an, ob er der Ordnungsamtmitarbeiter ist, der mir gerade ein Knöllchen verpasst, oder die Krankenschwester, die meinen durchgesuppten Verband wechselt; oder gar ein einsamer Tourist, der mir in Lappland über den Weg läuft. Ob ich ihn überhaupt wahrnehme. Oder ob er für mich einfach nur ein Idiot ist, der mir auf den Wecker geht.

Nicht ohne meine Katze … oder mein Auto!

Manche Menschen haben eine tiefere Beziehung zu ihrem Hund oder ihrer Katze als zu ihren Mitmenschen. Darüber mögen manche den Kopf schütteln, doch nun gut, man kann ohnehin nicht mit allen eine persönliche Beziehung haben. Dazu fehlt uns nicht nur die Zeit.

Andere Menschen haben eine Beziehung zu ihrem Auto. Es ist zwar nur ein Gegenstand, der uns hilft, schnell und komfortabel an unsere Ziele zu gelangen – falls kein Stau den Weg versperrt. Doch manchen Autobesitzern steigen Tränen in die Augen oder ihnen schwillt der Hals, wenn ihr „heiliges Blechle" durch eine Beule oder einen Kratzer entweiht wurde. Ungesund wird diese Beziehung – meistens handelt es sich dabei um Männer – wenn sie ihrem Wagen mehr Zeit und Aufmerksamkeit schenken als ihrer Familie.

Auto, Handy, Kühlschrank und Computer sind nur leblose Dinge, Objekte oder Sachen. Sie haben keine Gefühle. Sie besitzen keinen frei denkenden Geist, auch wenn sie von KI gesteuert werden. Wir benutzen sie, schätzen sie, weil sie uns das Leben erleichtern und verbessern. Aber sie lieben? Das wäre krank.

Nur Objekte

Zugegeben, auch unsere Mitmenschen sind häufig nur „Mittel“, um unsere Wünsche zu erfüllen, unsere Pläne zu verwirklichen oder unseren Aufgaben nachzukommen – egal, ob es um den Busfahrer, den Patienten, die Arbeitskollegin oder sogar den Ehepartner geht. Der Busfahrer soll uns nur sicher an unser Ziel bringen, mehr nicht. Keine persönliche Beziehung, manchmal sogar nicht einmal ein freundlicher Gruß. Der Patient ist vielleicht nur ein Mittel, um Geld für den Lebensunterhalt und ein bisschen Luxus zu verdienen. Die Arbeitskollegin soll lästige oder langweilige Aufgaben abnehmen. Und der Ehepartner ... nun ja.

Da wird der Mensch zum Objekt, zur Sache, zum Gegenstand. Da wird er benutzt, gebraucht und danach nicht mehr beachtet. Er ist nur noch ein Es – kein Du, kein Gegenüber. Kein Mensch, der geschätzt, geachtet und geliebt wird.

Wir brauchen jedoch persönliche Beziehungen zu unseren Mitmenschen. Gott hat uns darauf angelegt. Ohne den Austausch von Gedanken und Gefühlen, ohne Miteinander und persönliche Beziehungen können wir nicht wirklich glücklich sein.

Der Wunsch-Erfüller-Gott

Wenn Gott uns auf persönliche Beziehungen angelegt hat, dann möchte er auch mit uns eine tiefe Gemeinschaft. Doch für viele Menschen ist Gott – voraus- gesetzt sie glauben an ihn – nur ein Automaten-Gott. Gebet oben reinwerfen, Gebetserhörung unten rausnehmen. Und wehe, da kommt nicht sofort die gewünschte „Ware“. Dann sind wir sauer auf Gott, hadern mit ihm, kündigen ihm das Vertrauensverhältnis oder werfen unseren Glauben als unbrauchbaren Schrott achtlos auf den Sperrmüll.

Gott ist also für manche Menschen auch nur so etwas wie ein Gegenstand. Vor Krebs, Demenz und Unfällen bewahren, von Krankheiten heilen, und wenn man mal was verbockt haben, soll er die Schuldgefühle abnehmen und vergeben. Und natürlich erwartet man von ihm, dass er am Ende ein ewiges Leben schenkt.

Mehr wollen manche nicht. Eine Beziehung mit Gott? Wofür? Ist dies überhaupt möglich? Gott ist doch weit weg. Wir können ihm nicht die Hand schütteln, nicht auf die Schulter klopfen oder in die Augen sehen. 

Trotzdem ist eine persönliche Beziehung mit ihm möglich. Verliebte machen es uns vor: Auch wenn tausende Kilometer sie trennen, sie lieben sich, sehnen sich von ganzem Herzen nach dem anderen und hoffen, schon bald mit ihm zusammen sein zu können – für immer. Genauso verhält es sich mit der Beziehung zu Gott.

Keine Einbahnstraße

Die persönliche, von Liebe getragene Beziehung zu Gott ist keine Einbahnstraße. Er hat den ersten Schritt auf uns zu gemacht. Durch Jesus hat er gezeigt, wie sehr er uns liebt. Er hat alles getan, um unsere Liebe und unser Vertrauen zu gewinnen. Was kann man denn mehr geben als das eigene Leben?

Unsere Welt ist also für Gott kein Legoland, mit dem er sich die Zeit vertreibt, wenn er sonst nichts zu tun hat. Wir sind für ihn keine Spielzeugfiguren, die man achtlos in die Kiste wirft, wenn sie abgegriffen sind und nicht mehr den eigenen Vorstellungen entsprechen. Nein, Gott hat uns aus Liebe erschaffen, und aus Liebe zu uns möchte er eine tiefe persönliche Beziehung. Eine Beziehung, die auch in der Ewigkeit nicht versandet. Und er wünscht sich, dass wir Menschen uns ebenso gegenseitig wertschätzen und Zeit für einander haben.

Bild vom Autor zum Weblog Was ist der Mensch?

Autor: Siegfried Wittwer

Pastor i. R., ehem. Leiter des Internationalen Bibelstudien-Instituts

Artikel-Bildnachweis: m-gucci – gettyimages.de