Artikel aus dem Hope Magazin

01.09.2022

Wohnen oder Heimat finden?

Wie das Haus zum Heim wird

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In der illustren Gesellschaft der Schönen, Reichen und Mächtigen gehört es zum gepflegten Lebensstil, nebst eigener Luxusvilla an der Goldküste des Zürichsees ein Apartment in New York an der Fifth Avenue, eine Residenz an der Costa Smeralda, ein Chalet in Grindelwald oder eine intime Wohnung auf Montmartre in Paris sein Eigen zu nennen. Wie beneidenswert – im ersten Augenblick. Denn unwillkürlich drängt sich die Frage auf: Wo wohnen sie eigentlich? Wo fühlen sie sich wirklich daheim? Da ist man abermals erstaunt, denn allmählich dämmert es einem: Wer überall wohnt, der ist nirgends daheim.

Das für Adam und Eva vorgesehene Paradies hatte natürlich beileibe nicht jene zivilisatorischen Finessen zu bieten wie die oben erwähnten Habitate der Promis unserer Tage; aber, so wie die Bibel berichtet, dürften in Eden alle Voraussetzungen erfüllt gewesen sein, um ein frisch vermähltes Paar von einem glücklichen Wohnen träumen zu lassen. Nur eines fehlte: die heimische Vertrautheit.

Ich frage mich: Was macht meinen Wohnort zur Heimat? Doch nicht das milde Klima! Sonst säße halb Deutschland auf Mallorca. Auch nicht die Berge! Sonst zögen die meisten nach Tibet. Nicht einmal günstige Preise sind so motivierend, dass Tausende ihre Heimat verlassen würden. Trotzdem betreten viele am Abend ihre Wohnung, ohne daheim zu sein.

Denn was das Haus zum Heim macht, sind weder die vier Wände und das Dach noch die elektronische Beleuchtungsanlage oder das Wellnessbad und der Kühlschrank. Ein Haus kann man sich kaufen; doch das Heim wird einem durch Verwurzelung und Zugehörigkeit zuteil. Heim wächst durch Verweilen, Kennenlernen und Gestalten, durch das Gewinnen von Vertrautheit und Beziehung – Beziehung zu den Gegebenheiten, zu den Mitbewohnern, zur gemeinsam erlebten Vergangenheit. Jeder Schritt des gemeinsamen Weges bringt uns einander näher, macht uns einander vertrauter, transformiert die Räume und Erinnerungen zum Heim. 

Wo immer und wann immer wir nach Hause kommen: Beziehung ist alles. Sie macht das Haus zum Heim. Doch damit es so kommt, ist es an uns, den uns anvertrauten „Garten“ zu bebauen und zu bewahren.

Autor: Thomas Domanyi

Prof. em. der Theologischen Hochschule Friedensau, Prediger i. R. in der Deutschschweizerischen Vereinigung der Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten