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28.07.2020

Freiheit für alle

Ein kostbares Gut

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Es war eine berührende Szene, als ich im Fernsehen sah, wie Kinder in Spanien nach corona-bedingtem wochenlangen Eingesperrtsein endlich wieder ins Freie durften. Sie sprangen wie junge Lämmer auf der Wiese umher, rannten einfach nur im Kreis und genossen die neugewonnene Freiheit. Menschen sind, wie auch die Tiere, nicht für Käfighaltung gemacht. Das gilt auch im großen Maßstab. Letztlich hat sich bei den Völkern der Welt immer wieder der Freiheitsdrang durchgesetzt, auch wenn manchmal Jahrzehnte der Unterdrückung ins Land gegangen waren.

Doch die Corona-Zeit lässt die Machthaber mancher Länder damit liebäugeln, im Namen der Krankheitsbekämpfung unter der Hand Instrumente zu entwickeln, die ihnen die Macht sichern – zu Lasten der Freiheit der Menschen in ihrem Land. 

Ich habe Diktatur erlebt. Ich erinnere mich noch an die warnenden Worte meines Englisch-Dozenten. Er raunte mir wenige Monate vor dem Ende der DDR nach einem Kursabend zu, dass es besser für mich wäre, wenn ich mich etwas zurückhaltender äußern würde. Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn der Rahmen der persönlichen Freiheit von oben her diktiert wird, man nicht reisen darf, wohin man möchte, man nicht sagen darf, was man will. 

Als ich vor einigen Jahren an einer Konferenz in einem Land teilnahm, das eine andere Kultur und Gesellschaftsstruktur als Deutschland hat, wies uns der Leiter der Zusammenkunft vorsorglich darauf hin, dass wir unsere Worte bedenken sollten. Die Wände hätten Ohren und jeder Kellner könnte ein Zuträger für das System sein. Reflexartig fühlte ich mich an alte Zeiten erinnert und war wider Willen in ein Denkmuster geworfen, das ich schon längst hinter mir glaubte. Ich möchte diese eingeschränkten Zeiten der beschnittenen Freiheit nicht zurückhaben. 

Natürlich kann solch ein System auch Vorteile haben: Dank der Dauerüberwachung gibt es weniger Straftaten. Alles ist geregelt, und wer die eng gesteckten Bahnen als seinen Freiraum definiert und darin laufen will, fühlt sich gut aufgehoben. Solange man sagt (und möglichst auch denkt), was erwartet wird, ist alles bestens. Aber wehe, man überschreitet die Grenzen, die sich andere ausgedacht haben. Dann ist es mit der scheinbaren Freiheit schnell vorbei. Da kann schon ein wenig Kreativität das System herausfordern. Selbst ein simpler Aufnäher mit dem Bibelzitat »Schwerter zu Pflugscharen« zog damals ernste Konsequenzen nach sich. 

 

Freiheit bedeutet Verantwortung

Letztlich ist das engmaschige System einer Diktatur eine Entwürdigung des Menschen, denn der Mensch ist frei geschaffen. In Freiheit kann er kreativ sein und sich entfalten. Logischerweise geht mit Freiheit auch Verantwortung einher. Das ist einer der Gründe, warum manche Menschen eine Diktatur gut finden. Sie nimmt ihnen Entscheidungen und damit auch Verantwortung ab. Das hat in der Vergangenheit die Struktur für schlimme Verbrechen geschaffen. Mit der Bereitschaft von Menschen, die Verantwortung für das Ganze abzugeben und nur ihr kleines, persönliches Feld zu bedienen, brauchte man sich kein Gewissen über mögliche Konsequenzen zu machen. So konnte ein Adolf Eichmann im Dritten Reich persönliche Erfüllung darin finden, für den reibungslosen Ablauf der Transporte und die effiziente Auslastung der Züge bei der Deutschen Reichsbahn zu sorgen, ohne Verantwortung für die Millionen von Menschen zu übernehmen, deren pünktliche Verschickung in die Vernichtungslager er organisierte.

Die ehemalige DDR war zum Glück noch auf Karteikarten angewiesen, jedenfalls über lange Jahre. Irgendwann hatte auch die Stasi über illegale Beschaffungsmaßnahmen ein Computersystem aufgebaut. Dennoch muss man im Rückblick dankbar sein, dass die Staatsoberen in ihrem Überwachungswahn nicht die Technologie zur Verfügung hatten, die es heute gibt. Es war nicht nur die Papierknappheit, sondern auch die Angst des Staatsapparates, der schon Gefahr witterte, wenn von einem Flyer mehr als zwölf Exemplare hergestellt werden sollten. Darum musste für jedes noch so kleine Druckwerk eine offizielle Genehmigung beantragt werden. Der sogenannte Arbeiter- und Bauern-Staat traute seinen Arbeitern und Bauern eben nicht und beschnitt ihre Freiheit konsequent. Nicht auszudenken, wenn es in der DDR schon Künstliche Intelligenz (KI) und Gesichtserkennung gegeben hätte. Dann wären auch die letzten Inseln der Freiheit, die man sich hinter den eigenen vier Wänden oder in der Gartenlaube zu schaffen versuchte, dahingeschwunden. Bedroht waren sie ohnehin schon.

 

Künstliche Intelligenz als neue Herausforderung

Aber nun hat die KI schon die Türklinke zu unserer Welt in der Hand. In China wird Medienberichten zufolge schon massenhaft überwacht. Menschenunwürdig ist in meinen Augen das sogenannte Sozialkreditsystem, das dort in einigen Gegenden eingeführt worden sein soll. Da werden Menschen je nach Verhalten Credits das heißt Punkte zugeteilt. Wer wenig Punkte hat, darf beispielsweise nicht mal verreisen. Wer andere denunziert, wird hingegen mit Pluspunkten belohnt. Das hatten wir in der deutschen Geschichte alles schon. Es hat uns nicht gutgetan, als einige wenige Ideologen meinten, sie wüssten, was für den Rest der Menschheit das Beste sei.

Der bekannte britische Physiker Stephen Hawking hat sinngemäß gesagt, dass künstliche Intelligenz die größte Leistung der Menschheit sein werde, allerdings auch ihre letzte. Warum? Sie könnte die Freiheit der Menschen derart tiefgehend angreifen, dass die finale Konsequenz ins Haus stünde.

Dieses mächtige Werkzeug der sogenannten KI kann unendlich viel Gutes bewirken und Sicherheit – und damit auch Freiheit – schaffen, Gesundheit schützen usw. Aber diese intelligenten Maschinen könnten im Extremfall eines Tages ihren Programmcode zur Optimierung konsequent abarbeiten und entscheiden, dass wir Menschen insgesamt abgeschafft gehören, weil wir immer wieder Probleme verursachen. Das wäre die eine Gefahr. Gefährlicher, weil noch realistischer, finde ich allerdings, dass die künstliche Intelligenz in falsche Hände – zum Beispiel eines Diktators – geraten könnte, dann wäre es mit ihrer Freiheit vollends vorbei. Es gäbe Freiheit nur noch in von oben diktierten Grenzen, perfekt überwacht. Und das würde die Bezeichnung »Freiheit« nicht verdienen. 

Mit der Künstlichen Intelligenz ist es eben genauso wie mit vielen Dingen, die der Mensch schafft. Sie können Großartiges leisten und der Menschheit enorm helfen. Aber: Je größer die Hebel werden, derer wir uns bedienen, umso größer werden die Chancen und auch die Gefahren. Städte wie San Francisco machen mir in diesem Zusammenhang Mut, weil sie sich entschieden haben, Gesichtserkennung aus der Stadt zu verbannen. Da wird die Chance, dass menschliches Leben menschlich bleibt, etwas größer.

 

Freiheit auf allen Ebenen

Die Bibel spricht übrigens auf ihren letzten Seiten von einer Zeit, in der Menschen von einem System kontrolliert werden, und wer sich nicht anpasst, wird vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Auch Religion kann von den Mächtigen zu einem Instrument der Freiheitsberaubung verdreht werden, wie das Mittelalter lehrt. Darum bleibt wichtig, dass Freiheit nicht nur den einen oder den anderen zugestanden werden darf. Religion und Zwang sind zwei Dinge, die einfach nicht zusammengehören.

Wobei Freiheit nicht nur etwas für die großen Bühnen der Welt ist. Selbst im familiären Rahmen bleibt Freiheit ein kostbares Gut. Feinsinniges Manipulieren des Partners, der Partnerin oder der Kinder kann ihnen seelische Fesseln anlegen, die oft langwierige Folgen nach sich ziehen. Ohne Freiheit keine echte Liebe. Dabei wird Familie doch gerade durch Liebe zu dem Ort, nach dem sich die Menschen sehnen und den sie erhoffen, wenn sie eine Beziehung eingehen.

Auch Religion – gleich welcher Couleur – kann im persönlichen Rahmen als Macht-
instrument missbraucht werden. Schon der Prophet Jesaja übermittelte rund 700 Jahre v. Chr. die Aufforderung Gottes an die Menschen, die meinten, ihm mit strengem Fasten einen Gefallen zu tun: »Nein, ein Fasten, wie ich es haben will, sieht anders aus! Löst die Fesseln der Gefangenen, nehmt das drückende Joch von ihrem Hals, gebt den Misshandelten die Freiheit und macht jeder Unterdrückung ein Ende!« (Jesaja 58,6 GNB).

Der Mensch ist frei geschaffen und als freies Wesen dem am nächsten, was die Bibel als »Bild Gottes« bezeichnet – ein Symbol für die Würde des Menschen. Wenn wir uns dafür einsetzen, dass diese Würde des Menschen unantastbar bleibt, gehört seine Freiheit unabdingbar dazu. Das entspricht sehr dem Menschenbild, das man in der Bibel finden kann, ein Menschenbild, dem ich mich gern anschließe.

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Autor: Matthias Müller

ehemaliger Leiter von HopeMedia, hatte sich das Rentnerdasein etwas ruhiger vorgestellt und zieht nach wie vor gern mit Kamera und Mikrofon durch die Welt.

Artikel-Bildnachweis: Gutzemberg – gettyimages.de